Dokumentation der genderATlas-Fachtagung

Am 22. Oktober fand am Alten AKH die genderATlas-Fachtagung Warum Gleichstellungspolitik einen genderATlas braucht statt. Insgesamt nahmen 43 Personen von über 20 Institutionen teil.

genderATlas-Fachtagung

Im Folgenden finden Sie eine ausführliche Dokumentation der behandelten Inhalte.

Begrüßung und Projektvorstellung

Fachtagung: Intro

Kurzvorstellung genderATlas und FEMtech: Moderatorin Siegrun Herzog (Alumni Verband Universität Wien) mit Theresa Kuttner (FFG-Strukturprogramme) und Manuela Schmidt (genderATlas-Projektleiterin)

Ausgangspunkt für das Projekt genderATlas war der Wunsch nach einer Plattform zur Visualisierung geschlechterdifferenzierter regionalisierter Daten für Österreich – analog zu ähnlichen Projekten in der Schweiz und Deutschland.

Das Projektkonsortium formierte sich folgendermaßen:

Das Projekt wurde im Frühjahr 2013 im Rahmen der 2. Ausschreibung der FEMtech Forschungsprojekte eingereicht und startete im September 2013.

Theresa Kuttner (FFG) stellte die FEMtech-Forschungsprojekte im Rahmen des Förderschwerpunkts des BMVIT vor (Details). Laut Kuttner wurde der genderAtlas-Projektantrag von der Fachjury unter anderem deswegen positiv bewertet, da die Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit für Genderthematiken anhand von leicht verständlichen Daten und Visualisierungen im Projektfokus stand.

Eine der größten Herausforderungen in der zweijährigen Projektphase war es laut Manuela Schmidt, die unterschiedlichen Vorstellungen und Anforderungen an den Atlas – durch die Projektpartnerinnen einerseits und die TeilnehmerInnen der NutzerInnen-Workshops andererseits – abzustimmen. Die Wunschliste der potentiellen NutzerInnen war sehr lang und teilweise auch abseits reiner Datenvisualisierungen (ein Wunsch war beispielsweise eine regionalisierte Bilddatenbank gendersensibler Sujets). Als positives Zwischenergebnis des Projekts wurde die zweite Workshoprunde genannt, in denen erste Visualisierungen durch NutzerInnen getestet wurden und in denen sofort die Inhalte der Karten – nicht aber die Bedienung des Tools im Fokus der Gespräche stand. Auch Personen mit geringem technischen Wissen war es möglich, die Inhalte des Online-Atlas abzurufen und mit dem Tool zu interagieren.

Nach dieser kurzen Projektvorstellung verlas Cornelia Krajasits vom ÖIR Projekthaus  Grußworte der burgenländischen Landesrätin Verena Dunst, welche sie zum Anlass der Projektpräsentation gesendet hat:

„Ich bedauere sehr, dass ich an der Fachtagung „Warum Gleichstellungspolitik einen genderATlas braucht“ nicht teilnehmen kann. Gerne wäre ich dabei gewesen, da das Thema hochinteressant und von großer Wichtigkeit ist. Nachdem aber heute der Burgenländische Landtag tagt, muss ich als Landesrätin natürlich anwesend sein.

Eine geschlechterdifferenzierte Erhebung und Aufbereitung der Statistiken ist nicht nur notwendig, um die Vergleichbarkeit zwischen Männern und Frauen zu gewährleisten, sie ist auch unerlässlich, um die Partizipation von Männern und Frauen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft adäquat erfassen, messen und beurteilen zu können. Das Wissen um die Defizite und die Potenziale der Gleichstellung von Frauen und Männern wird dadurch erhöht und regionalen Disparitäten können damit besser entgegengewirkt werden. Mit den Daten und Fakten können gängige Geschlechterstereotype sichtbar gemacht und aufgebrochen werden.

Der GenderATlas ist für die politische Arbeit eine unheimliche Bereicherung, die unsere Arbeit erheblich erleichtert. Es ist für mich von großer Bedeutung, Ist-Zustände zu analysieren, geschlechterspezifische Zusammenhänge zu untersuchen, Vergleiche anzustellen und Fortschritte zu erkennen, um so eine effektive Gleichstellungsarbeit auch in ländlichen Regionen zu ermöglichen. Genau solche innovative Projekte brauchen wir, damit wir schneller agieren und gesellschaftliche Unausgewogenheiten ausgleichen können.

Meinen herzlichen Dank möchte ich abschließend noch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der TU Wien, der Universität Wien und der ÖIR-Projekthaus GmbH für die ausgezeichnete Arbeit und die hervorragende Umsetzung des Projektes aussprechen.“

Keynote: Daten_Geschlecht_Raum: Von der Notwendigkeit der Visualisierung von Ungleichheit

fachtagung_oedl-wieser

Keynote: Theresia Oedl-Wieser (Bundesanstalt für Bergbauernfragen)

In ihrem Vortrag ging Theresia Oedl-Wieser (Bundesanstalt für Bergbauernfragen) auf die große Bedeutung von Genderstatistik für die Sichtbarmachung von Geschlecht im Raum ein. In der Regionalentwicklung ist nach wie vor kaum Bewusstsein für Ungleichheit gegeben und auch in personeller Hinsicht wenig Genderkompetenz vorhanden. Hierfür kann Genderstatistik einen wesentlichen Beitrag leisten, um Fortschritte zu zeigen und geschlechtsspezifische Bedürfnisse in die Programmgestaltung einfließen zu lassen.  Dennoch reichen rein quantitative Analysen von Problemen oft nicht aus. Für ein tiefergehendes Verständnis der Disparitäten und ihrer Gründe sind qualitative Daten unabdingbar. Gleichzeitig ging sie auch auf die Problematik der heteronormativen Kategorisierung von Geschlecht für Analysezwecke ein und betonte auch – trotz der Wichtigkeit dieser Analysekategorien für empirisches Arbeiten – Männer und Frauen nicht als homogene Gruppen zu betrachten.

Keynote: Der Raum ist nicht geschlechtsneutral: Bewusstsein schärfen durch regionale Karten und Daten zur Gleichstellung. Erfahrungen aus dem deutschen Gender-Index

Antonia Milbert

Antonia Milbert, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Antonia Milbert (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) ging in ihrem Vortrag auf ihre Erfahrungen mit der Entwicklung des Genderindex für Deutschland ein, welcher gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung 2008 entwickelt wurde. Ziel war es, die große Menge an geschlechterdifferenzierten Daten, die im Laufe der Zeit gesammelt wurden, zu sinnvollen Indikatoren zu verdichten, um Geschlechterdifferenzen auf regionaler Ebene in Deutschland abzubilden. Auch die Problematik von Rankings von Regionen und dem damit in Verbindung stehendem Medienecho und das oft mangelnde Interesse der politischen Ebene war Teil des Vortrags. Als zentral für eine gelungene Gleichstellungspolitik ist es, regionale Unterschiede sichtbar zu machen, auf die Bedeutung von Ungleichheit für den Wohlstand hinzuweisen und Veränderungen abzubilden – was aufgrund der langen Dauer der Prozesse jedoch schwierig ist.

Podiumsdiskussion
„Warum Gleichstellungspolitik einen genderATlas braucht“

Podiumsdiskussion

Podiumsdiskussion mit Antonia Milbert, Karina Ringhofer, Siegrun Herzog, Theresia Oedl-Wieser und Elisabeth Aufhauser

Elisabeth Aufhauser vom Institut für Geographie und Regionalforschung (Uni Wien), diskutierte „Raum“ als Analyse- und Visualisierungskategorie in Hinblick auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten. Das Verständnis soll weg vom „Containerdenken“ gelenkt werden, das Raum und Geschlecht als fixe, abgeschlossene Einheiten denkt, die oft mit Stereotypen besetzt sind.

Karina Ringhofer, Landesfrauenbeauftragte des Burgenlands brachte ihre Erkenntnisse aus der Praxis ein, wie regionalisierte, geschlechterdifferenzierte Daten verwendet werden können. Eine gute Datengrundlage ist für die Implementierung von zielgerichteten Projekten von größter Bedeutung. Des Weiteren betonte sie die Vorteile von Karten zur einfacheren Kommunikation von Daten, die auch in der Politik eine große Rolle spielen können. Sie wies darauf hin, dass die Frauenpolitik den genderATlas (in Verbindung mit dem Frauenbericht Burgenland 2014, in den Daten und Karten des genderATlas aufgenommen wurden) wahrgenommen hat, andere politische Bereiche jedoch nicht. Derzeit arbeiten vorrangig Frauenberatungsstellen mit dem Online-Tool.

Theresia Oedl-Wieser diskutierte die Einbindung von Genderstatistiken und deren Visualisierung in Programmen für den ländlichen Raum und über den verstärkten Fokus von LEADER-Projekten auf Gleichstellungsthemen. Speziell dafür können Karten und Daten eine wesentliche Stütze zur Formulierung von Bedürfnissen sein.

Antonia Milbert betonte, dass es von besonderer Bedeutung ist, wie Daten aufbereitet sein müssen, um politisch relevant und nutzbar zu sein. Wichtig ist es, Indikatoren getrennt für Männer und Frauen darzustellen und auch die Differenz beider Geschlechter abzubilden. Hier sollten allerdings keine Indikatoren gewählt werden, die ein Geschlecht als Norm definieren, anhand derer das andere Geschlecht gemessen wird. Eine Alternative ist beispielsweise der im genderATlas verwendete Genderindex, der auf dem schwedischen Jäm-Index basiert.

In weiterer Folge wurde diskutiert, ob die Visualisierung geschlechtsspezifischer Daten eine Möglichkeit darstellt, Klischees über Männer und Frauen zu dekonstruieren. Hier gibt es durchaus Möglichkeiten: Beispielsweise können Daten klar das Klischee der schlecht gebildeten Frauen im ländlichen Raum widerlegen. Wie in der Hochqualifizierten-Karte ersichtlich, sind Frauen landesweit durchschnittlich durchwegs besser gebildet als Männer. Auch das Thema Intersektionalität wurde thematisiert. Die Herausforderungen sind hier einerseits fehlende Datengrundlagen (es müssten auch qualitative Daten einbezogen werden) und andererseits die Visualisierung extrem komplexer Daten in einfach verständlichen Karten.

Technische Aspekte des genderATlas

Florian Ledermann

Florian Ledermann demonstriert den genderATlas-Prototyp

Florian Ledermann (TU Wien) präsentierte den genderATlas hinsichtlich der technisch-kartographischen Umsetzung. Der Atlas wurde als Beitragssystem aufgebaut, in dem unterschiedlichste Themen als Beitrag definiert und mit Texten, Karten und verschiedenen Diagrammtypen kombiniert werden können. Dabei zeigte er einzelne Beispiele, wie die Visualisierung von zeitlichen Veränderungen (Bürgermeisterinnenkarte Niederösterreich), verschiedene interaktive Diagrammtypen (Pendeldarstellungen, Alterspyramide Burgenland) und die Straßenkarte von Wien, in der Straßennamen nach weiblicher oder männlicher Benennung klassifiziert und abgebildet sind.

Inhaltliche Ausrichtung des genderATlas

Elisabeth Aufhauser (Uni Wien) ging auf die Überlegungen zur inhaltlichen Gestaltung des Atlas ein und merkte an, welche Limitationen es in der räumlichen Verortung von gesellschaftlichen Phänomenen gibt. Viele Inhalte, die aus Geschlechterperspektive äußerst relevant sind, lassen sich nur schwer räumlich verorten oder aufgrund mangelnder Datenlage nicht darstellen. Die inhaltlichen Schwerpunkte des derzeitigen Prototypen liegen auf den Themen Bildung, Mobilität, Politische Partizipation, Arbeit und Einkommen.

Wie geht es weiter mit dem genderATlas?

Cornelia Krajasits

Cornelia Krajasits stellt die Weiterführung des genderATlas-Prototypen vor

Cornelia Krajasits (ÖIR Projekthaus GmbH) informierte über die verschiedenen Perspektiven nach Projektabschluss (siehe Vortragsfolien). Falls Sie Interesse an neuen Visualisierungen haben und/oder relevante Daten zur Verfügung stellen können, freuen wir uns über Ihre Nachricht an info@genderatlas.at.

Poster aus der Projektlaufzeit

Poster aus der Projektlaufzeit

Fotos: Martin Wenk / Dokumentation: Monika Riegler, Martin Wenk, Manuela Schmidt